Wer sie waren

Gesellschaft
Frauen
Händler und Entdecker



Für das Jahr 793 notiert die Angelsächsische Chronik:
"This year came dreadful fore-warnings over the land of the Northumbrians, terrifying the people
 most woefully: these were immense sheets of light rushing through the air, and
whirlwinds, and fiery, dragons flying across the firmament. These tremendous tokens were soon
followed by a great famine: and not long after, on the sixth day before the ides of January in
the same year, the harrowing inroads of heathen men made lamentable havoc in the church of God
in Holy-island, by rapine and slaughter."Lindisfarne
In etwa übersetzt:
"In diesem Jahr kamen fürchterliche Vorzeichen über Northumbria, welche das Volk schwer ängstigten.
Es kamen Lichter und Wirbelstürme und feurige Drachen [vermutlich Kometen] sah man durch die Luft fliegen. Auf diese mächtigen Zeichen folgte eine große Hungersnot und nur wenig später, am sechsten Tage vor den Iden des Januar [7. Januar] , verwüsteten die grauenhaften Horden der Heiden Gottes Kirche auf Holy Island [Lindisfarne, Northumbria] mit Raub und Totschlag."

Mit diesem Ereignis polterten die Wikinger in das Licht der Weltgeschichte. Gemeinhin wird das Jahr 793 als Beginn des Wikingerzeitalters angesehen, was so allerdings nicht ganz richtig ist. Auch früher wird es schon Beziehungen zwischen Skandinaviern und dem restlichen Europa gegeben haben. Der Bernsteinhandel ist z.B. bereits aus der Römerzeit bekannt.
Und auch für die Überfälle gibt es mindestens ein früheres Zeugnis, wiederum die Angelsächsische Chronik, die für das Jahr 787 einen heimtückischen Überfall der Dänen schildert.
Wikingerangriff
Wer waren nun aber diese Nordleute, diese Heiden, diese Dänen, eben diese Wikinger?
Ein Vikingr ist jemand, der auf viking geht, was schlicht die Raubfahrt bezeichnet. Aber ist es das schon? Eine Horde plündernder Barbaren? Nein. Kriege und Überfälle waren zu dieser Zeit Gang und Gebe. Man lese nur diverse Chroniken und man wird feststellen, daß solche Ereignisse für beinahe jedes Jahr, gerade in England, verzeichnet sind. Was die Raubzüge der Wikinger so aussergewöhnlich machte war, das gerade die ersten Überfälle auf Klöster (hier herausragend Lindisfarne und Iona, zwei der heiligsten Orte auf den britischen Inseln) und ungesicherte Küstenorte stattfanden und das wie aus dem Nichts.
Klar ist zunächt mal nur soviel: wenn wir heute von Wikingern sprechen, meinen wir Bewohner des heutigen Skandinaviens (ohne Finnland) in der Zeit von etwa 787 bis 1050.

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Wie die meisten anderen Menschen dieser Zeit auch, so waren die Nordleute zunächst einmal Bauern, die ihre Felder bestellten, ihr Vieh versorgten und ihre Kinder großzogen, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man den Nachbarn um seine Habe bringt...
Die Grundeinheit der Gesellschaft war die Familie oder Sippe, der alle wichtigen Entscheidungen des Lebens (Ehe, Kauf und Verkauf von Land oder Vieh, Erbschaft oder Blutrache) oblagen. Vertreten wurde die Sippe jeweils von einem männlichen Oberhaupt.
Reichtum und Ansehen eines Einzelnen hingen nicht nur von dessen Taten, sondern in hohem Maße von Rang, Reichtum und Würde seiner Vorfahren ab.
Überregionale Entscheidungen (Recht und Gesetz, Krieg und Frieden) wurden vom Thing, einer Zusammenkunft aller freien Männer, gefällt. Einen organisierten Staat gab es noch nicht.

Unterteilt war die Gesellschaft in drei Stufen: Unfreie (Thræll, Sklaven), Freie (karlar oder bondi), bei denen die Bandbreite von eher armen Knechten und Dienstboten bis zum reichen Großgrundbesitzer mit eigenen Soldaten gehen konnte, und einer gewissen Elite, die man mit dem Adel vergleichen kann. Zu dieser letzten Schicht gehörten Könige und regionale Herrscher, die Jarle (gewählt oder ernannt).

Sklaverei war im frühen Mittelalter ein gängiges Phänomen und nicht mit den heutigen moralischen Tabus belegt (auch wenn man Sklaven im christlichen Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert (!) dann lieber als Leibeigene bezeichnete). Sklaven waren Männer, Frauen und Kinder mit den unterschiedlichsten sozialen Hintergründen. Viele waren mit Sicherheit Gefangene von Raubzügen, jedoch konnte auch ein Freier ohne weiteres seine Freiheit durch Armut an einen anderen verlieren.
Sklaven hatten weder Besitz noch Rechte, konnten aber freigekauft werden oder sich selbst freikaufen.

Die Freien, hauptsächlich die landbesitzenden Bauern, bildeten den größten Teil der Gesellschaft. Sie waren es, die beim Thing abstimmen durften (auch wenn Stimmenkauf alltäglich und üblich war, um die Interessen der eigenen Hofgemeinschaft oder befreundeter Sippen zu wahren), das Land besaßen und Waffen tragen durften.
Mit dem Fortschreiten der Wikingerzeit gehörten zu dieser Schicht auch vermehrt Händler und Handwerker, die durch die immer weiter werdenden Handelswege zu Reichtum und Ansehen kamen.
(Fortsetzung folgt)



Eine erstaunliche Stellung nahmen bei den Wikingern die Frauen ein.
Anders als im Hochmittelalter, welches ja unsere Sicht des Mittelalters weitgehend bestimmt, waren die Frauen regelrecht "emanzipiert".
Die Frau hatte die Herrschaft über Haus und Hof und trug als Zeichen ihrer Stellung den Schlüsselbund mit den Schlüsseln zu "Schatzkiste" und Speisekammer an Gürtel oder Brust (an einer Fibel). Sie bewirtschafteten während der Abwesenheit des Mannes das Land, gaben Bediensteten Befehle, tätigten Geschäfte...
Im Gegensatz zu ihren christlichen Geschlechtsgenossinnen waren sie berechtigt, Eigentum zu besitzen und darüber zu verfügen. Ebenso waren sie zur Landnahme berechtigt. Auch waren sie nach Tod des Ehegatten durchaus erbberechtigt und fielen nicht wieder unter die Vormundschaft des Vaters oder eines Bruders. Auch durften sie ihren neuen Ehemann selbst wählen (sofern die Sippe nichts gravierendes einzuwenden hatte).
Sehr erstaunlich war das Recht der Frau (und nur der Frau), sich scheiden zu lassen, sollte der Mann sie mishandeln oder nicht ernähren können.
In zahlreichen Sagas und durch Grabfunde ist belegt, daß Frauen sehr wohl zu großem Reichtum und Ansehen kommen konnten. So ist z.B. in Oseberg ein bedeutender Fund gemacht worden, der das Grab einer Fürstin war...



Noch bevor im ausgehenden 20. Jahrhundert der Gedanke der Globalisierung geboren war, war das für die Wikinger schon fast ein alter Hut.
Die Schiffsbaukunst der Nordleute befähigte sie nicht nur zu raschen Überfällen und Eroberungs- feldzügen in Nord- und Ostsee, nein, Wikinger waren bereits global Player.
Bereits zu Zeiten des römischen Imperiums waren Waren aus dem hohen Norden Germaniens begehrt und wurden teuer gehandelt. Nichts spricht dagegen, daß es skandinavische Händler waren, die den Römern Pelze, Bernstein und Kämme aus Geweih oder Horn verkauften.Der Tisch des Händlers
Auch als sicher zu betrachten sind Handelsbeziehungen zu den Britischen Inseln und ins Frankenreich. Woher hätten die raubenden Wikinger sonst die lohnenden Ziele gekannt?
Das besondere Interesse Der Nordleute am Handel zeigt sich auch in berichten zeitgenössischer Chronisten. In der Fränkischen Chronik wird z.B. beschrieben, daß König Gudfred den slawischen Handelsplatz Reric (nahe Wismar) zerstören ließ, um die Händler im dänischen Haithabu anzusiedeln...
Weiterhin zeigen schier zahllose Funde von Objekten aus fast unvorstellbaren Entfernungen die Handelsbegeisterung der Skandinavier. So fand man z.B. eine Jadefigur aus Indien, Münzfragmente aus Samarkand (heute in Usbekistan) und kiloweise Münzen arabischer Prägung.
Waghalsige Kaufleute aus dem Norden (vor allem dem heutigen Schweden) gründeten Siedlungen auf dem Weg zum schwarzen Meer entlang der Schiffbaren Ströme Russlands.
Im Westen eroberte ein großes Heer der Nordmänner ab 866 einen großen Teil Englands und ließ sich dort nieder. Bedeutende und günstig gelegene Städte wie York und Ipswich entwickelten sich schnell zu Umschlagplätzen für Waren aus aller Welt.
Die Abenteuerlust der Wikinger machte auch vor Ozeanen nicht halt. Gegen 876 begann die Landnahme auf Island und zahlreiche Siedler machten sich dorthin auf den Weg.
982 mußte Erik der Rote von Island fliehen und landete auf einer Insel weiter im Westen, die er Grænland, also Grünland nannte (eine Masche, auf die heutige Werbeleute immer noch neidisch sind) und die wir heute als Grönland bezeichnen..
Eriks Sohn Leif schließlich brach aufgrund von Erzählungen noch weiter nach Westen auf und entdeckte um 1000 einen Landstrich, den er Vinland nannte. Heute wissen wir, daß Leif Eriksson fast 500 Jahre vor Kolumbus Amerika entdeckte. Die Besiedlungsgeschichte Vinlands ist aber weniger glücklich verlaufen.
Reste einer wikingerzeitlichen Siedlung sind heute in L'Anse-Aux-Meadows (Neufundland) zu sehen.

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